Wo ist die soziale Verantwortung der Modebranche während Corona?

Wo ist die soziale Verantwortung der Modebranche während Corona?
5. Juni 2020 Julian
In News
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9 Min. Lesezeit

Das Wichtigste in Kürze

  • Die Modeindustrie ist eine der am stärksten betroffenen Industriezweige durch das Coronavirus
  • Große Modeunternehmen verhalten sich unfair gegenüber Lieferanten
  • Arbeiter und Arbeiterinnen in Asien sind mitunter am stärksten von den Auswirkungen betroffen und kämpfen teilweise ums Überleben

Die Modebranche kämpft ums Überleben

Die Sorge um die eigene Gesundheit, Einschränkungen im Alltag, Langzeitauswirkungen der Corona Pandemie, Ungewissheit in Bezug auf die eigene finanzielle Zukunft: alles Themen, über die wir uns derzeit die Köpfe zerbrechen.

Das hier selbst der letzte Genuss-Shopper erstmal kein Verlangen hat, die neue Sommerkollektion zu shoppen, ist verständlich.

Voller_Kleiderschrank

Ausgangsbeschränkungen, Reiseverbote, Home Office und v.a. geschlossene Filialen haben die Modeunternehmen in den letzten Wochen vor enorme Probleme gestellt. 

Aber auch die Notwendigkeit für neue Kleidung durch Home-Office, volle Kleiderschränke, eingeschränkte soziale Kontakte, Reisebeschränkungen und Ausgangssperren ist aktuell nicht unbedingt gegeben.

Das spürt die Modebranche. Laut dem „State of Fashion 2020” Report von McKinsey trifft die Corona Krise die Modeindustrie neben Tourismus und Gastronomie besonders hart und auch das Online Geschäft kann hier keinen Ausgleich darstellen, erzielt die Branche immer noch 80% ihrer Umsätze im stationären Handel.[1]

Die Auswirkungen sind besonders drastisch an dem Fast Fashion Hersteller Primark zu zeigen. Das Unternehmen hat nach eigenen Angaben, während der kompletten Schließung aller Filialen täglich einen Verlust von 800 Millionen Dollar hinnehmen müssen.[2] Auch andere große Konzerne fahren massive Verluste durch Corona ein und sind auf staatliche Hilfen angewiesen.[3]

Die Warenlager sind voll, aufgrund der schnelllebigen Fast Fashion Industrie sind bereits neue Bestellungen platziert. Das Problem ist jetzt aber die sinkende Nachfrage sowie der vorübergehende Wegfall zahlreicher Verkaufsflächen.
Erste Prognosen gehen bereits soweit, dass die Corona Krise eine nachhaltige Veränderung in der Modebranche mit sich bringt und vielleicht der Fast- und Ultra Fast Fashion Bewegung ein nahes Ende bereitet.[4]

Die Vergessenen in der Corona Krise: Arbeiter/innen in Asien

Das sind grundsätzlich natürlich tolle Neuigkeiten und unterm Strich freuen wir uns, dass hier eine Veränderung in der Herstellung von Textilien zu spüren ist. Traurig, aber wahr ist allerdings auch, dass immer erst eine Katastrophe geschehen muss, bis ein Umdenken angestoßen wird. Wir möchten an dieser Stelle nur kurz an Rana Plaza erinnern. Diese Katastrophe war ebenfalls Auslöser, um die damals unvertretbaren Arbeitsbedingungen in Asien für Arbeiter in der Textilindustrie zu verbessern (auch wenn hier immer noch sehr viel Bedarf für Verbesserung herrscht).

Mehr zu Verbesserungen in der Textilwirtschaft erfährst du in unserem Artikel über TextilsiegelDie Wahrheit über Fair Fashion Textilsiegel.

Klingt jetzt die Aussage von Zukunftsforschern sowie Stimmen aus der Fast Fashion Industrie durchaus vielversprechend, möchten wir aber nochmal auf die aktuelle Situation zurückkommen.

Wie bereits beschrieben, sind die Lager voll und neue Ware ist bereits bestellt, die jetzt wahrscheinlich nicht, wie geplant, verkauft werden kann.
Die logische Konsequenz für vereinzelte Modeunternehmen ist demnach, möglichst alles zu stornieren, was geht und die Zahlungen an Dienstleister in der eigenen textilen Wertschöpfungskette auf ein Minimum zu reduzieren. Teilweise werden selbst bereits fertiggestellte Waren nicht mehr abgenommen.[5] [6]

Wo bleibt hier die soziale Verantwortung, mit der in den vergangenen Jahren große Modeunternehmen Kampagnen gestartet und ihre Umsätze dadurch angekurbelt haben?

Die Worker Rights Consortium veröffentlicht einen Covid 19 Tracker, in dem Modeunternehmen aufgeführt werden, die nicht oder auch nur teilweise bereit sind, bereits produzierte oder in Produktion befindliche Ware abzunehmen.[7]

C&A_Filiale

C&A lies als Folge der Corona Krise am 23.März sämtliche Bestellungen bei seinen Lieferanten stornieren. 

Als deutsches Unternehmen wird hier auch C&A aufgeführt. Das Unternehmen hat am 23. März ein Schreiben an einen Zulieferer verfasst, in dem alle Bestellungen mit sofortiger Wirkung gestrichen sind.[8] Auf Kritik von außen hieß es, dass individuelle Lösungen gesucht werden. Worker Rights veröffentliche in seinem letzten Update am 27. Mai, dass das Unternehmen nach öffentlicher Kritik Bestellungen in Höhe von mehreren Millionen $ abgenommen hat, jedoch ein signifikanter Anteil bislang storniert bleibt.[9]

In ihrem Nachhaltigkeitsbericht aus dem Jahr 2018 hebt C&A noch hervor, dass alle Mitarbeiter in der Lieferkette mit Würde und Respekt behandelt werden müssen.[10]

Wir verstehen, dass die Krise eine große Herausforderung für Unternehmen wie C&A darstellt, eine mindestens ebenso, wenn nicht größere Herausforderung stellt sie aber für die Produktionsstätten in Asien und am Ende des Tages für die Arbeiter und Arbeiterinnen in Bangladesch, Myanmar und Co. dar.[11] [12]

Auch wenn mittlerweile ein Rettungsfont bspw. in Bangladesch greift, der Lohnausfallzahlungen in Höhe von 60% für den Monat April ausgleichen soll, gibt es sonst kein staatliches Auffangnetz, dass Arbeiter in einer solchen Situation helfen kann. [13]

Arbeiter in Bangladesch verdienen ohnehin geringe Löhne, die teilweise unterhalb des Existenzminiums sind, vergleicht man den bezahlten Mindestlohn in Bangladesch mit dem geforderten existenzsichernden Lohn, der durch die Asia Floor Wage Alliance (AWF) gefordert wird.[14] [15]Vor allem durch die Stornierung bereits bestellter Ware laufen diese Arbeiter Gefahr, in Armut abzustürzen. [16]

C&A ist hier selbstverständlich nicht als einziges Unternehmen zu nennen. Die Bangladesch Garment Manufacturers & Exporters Association (BGMEA) spricht von einem Verlust durch stornierte Bestellungen in Höhe von 3.11 Mrd. $ (Stand April 2020).[17]

Dass es anders geht, zeigt beispielsweise das Unternehmen Deuter. Laut eigenen Angaben sieht das Unternehmen davon ab, Aufträge zu stornieren, wenn diese bereits getätigt wurden. Vereinbarte Zahlungsziele werden ebenfalls eingehalten.[18] Auch Armed Angels als Fair Fashion Label sieht nach eigenen Angaben davon ab, Bestellungen zu stornieren.[19]

Was kann jeder Einzelne zu der aktuellen Situation beitragen

Mit unserem Beitrag möchten wir unterschiedliche Blickwinkel aufzeigen, wie die aktuelle Situation die Modebranche beeinflusst. Diese möchten wir an dieser Stelle nochmal kurz zusammenfassen:

  • Die Fast Fashion Industrie kämpft mit geringem Absatz und gleichzeitig vollen Lagern
  • Fair Fashion könnte auch für etablierte Unternehmen laut Prognose ein Konzept für die Zukunft darstellen
  • Arbeiter aus Asien sind stark betroffen durch geringe soziale Absicherung und hohe Stornierungen von großen Modeunternehmen

Auch wenn die Prognosen für Fair Fashion Labels aufgrund langfristiger Produktionszyklen positiver sind als für Fast Fashion Unternehmen, muss an dieser Stelle auch ergänzt werden, dass natürlich vor allem auch kleine Fair Fashion Labels mit der Corona Krise zu kämpfen haben.[20] [21]

An dieser Stelle möchten wir dir unterschiedliche Kampagnen vorstellen, von denen wir überzeugt sind. Durch deine Teilnahme, die teilweise nur eine Unterschrift verlangen, kannst du bereits dazu beitragen, dass Fair Fashion an Bedeutung gewinnt und sich langfristig alle Beteiligten der textilen Wertschöpfungskette auf hohe soziale Standards verlassen können.

Unterstützung der Fair Fashion Solidarity Kampagne

Unter dem Motto “Covid-19 is a virus. Fair Fashion is a movement. So lets keep on moving together“ haben sich mehrere Fair Fashion Brands zusammengeschlossen und ein Manifest verfasst. Kernaussagen sind darin:

  • Ein Zeichen für die Notwendigkeit von Fair Fashion zu setzen
  • Mode bewusst zu einem fairen Preis kaufen und die Existenz von Fair Fashion Labels sichern
  • Jeder kann die Fair Fashion Bewegung unterstützen, jeder Unterstützer zählt

Hier kannst du dich als Unterstützer eintragen und das Manifest lesen.

FEMNET Corona-Nothilfefonds

FEMNET e.V. ist ein Verein, der für die Rechte von Frauen in der globalen Bekleidungsindustrie kämpft. Wenn du unsere Artikel auf Fairlier liest, wirst du immer wieder auf Artikel von FEMNET als Quellen stoßen, da nahezu jeder Artikel des Vereins einen unglaublichen Mehrwert bietet, um auf die Arbeitsbedingungen von Näherinnen in Asien aufmerksam zu machen.

In Zusammenarbeit mit unterschiedlichen Partnerorganisationen unterstützt FEMNET die Betroffenen und bereits mit einer Spende von 7€ können Essensnotpakete und Aufklärungshilfe in Bezug auf das Virus in Bangladesch geleistet werden.

Hier geht es zu den unterschiedlichen Partnerorganisationen und den Leistungen, die durch deine Spende möglich sind.

Teste dein Wissen in Bezug auf die prekäre Situation in der Modebranche durch Corona


In unserem kleinen Wissenstest haben wir für dich nochmal wesentliche Informationen recherchiert, die in unser aller Bewusstsein rufen sollen, welche Auswirkungen die aktuelle Krise in der Textilindustrie bewirkt und wie sie durch einige Unternehmen nachhaltig beeinflusst wird (im Positiven wie im Negativen).

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